SZZ Kapitel 19: Die Erkenntnis

Kapitel aus dem Buch „Spielend zum Ziel – Handbuch für das Erreichen Ihrer persönlichen Ziele


„Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.“
Marie von Ebner-Eschenbach


Schauen wir zunächst mal wieder in das Wörterbuch:

Erkenntnis = Erkennung, Einsicht:
1. Durch geistige Verarbeitung von Eindrücken und Erfahrungen gewonnene Einsicht (eine historische, gesicherte Erkenntnis; neue Erkenntnisse gewinnen; ich durfte mich dieser Erkenntnis nicht verschließen; nach den neuesten technischen Erkenntnissen; er kam zu der Erkenntnis, dass sie Recht hatte)
2. <ohne Plural> Fähigkeit des Erkennens, des Erfassens der Außenwelt (an die Grenzen der Erkenntnisse stoßen).

Wir betrachten uns das mal näher, denn auch hier ist interessant, die Bedeutung genauer zu erforschen. Immerhin gehen wir fast permanent, aber leider wenig bewusst mit Erkenntnissen um.

Die falsche Erkenntnis

Es gilt nun zunächst das Phänomen „die falsche Erkenntnis“ zu beleuchten. Viele, von ihrem Ursprung her veränderte Religionen und Glaubensmuster bestehen aus solchen sehr erschreckenden scheinbaren Erkenntnissen, die gebetsmühlenartig verbreitet werden. Aber es sind eben nur „scheinbare“ Erkenntnisse. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Mixtur aus Lügen und wahrem Wissen, was letztendlich im Chaos landet, welches erstaunlicherweise oft nach Herrlichkeit aussieht.

Johann Wolfgang von Goethe, den ich hier gerne etwas ausführlicher zitieren möchte, hat es sehr trefflich formuliert. Den Meisten dürfte vor allem der dritte Absatz schon mal über den Weg gelaufen sein:

„Die Deutschen können die Philisterei* nicht loswerden. – Da quängeln und streiten sie jetzt über verschiedene Distichen*, die sich bei Schiller gedruckt finden und auch bei mir, und sie meinen, es wäre von Wichtigkeit, entschieden herauszubringen, welche denn wirklich Schillern gehören und welche mir. Als ob etwas darauf ankäme, als ob etwas damit gewonnen würde, und als ob es nicht genug wäre, dass die Sachen da sind!
Überhaupt ist die Welt jetzt so alt, und es haben seit Jahrtausenden so viele bedeutende Menschen gelebt und gedacht, dass wenig Neues mehr zu finden und zu sagen ist. Meine Farbenlehre ist auch nicht durchaus neu. Plato, Leonardo da Vinci und viele andere Treffliche haben im Einzelnen vor mir dasselbe gefunden und gesagt; aber dass ich es auch fand, dass ich es wieder sagte, und dass ich dafür strebte, in einer konfusen Welt dem Wahren wieder Eingang zu verschaffen, das ist mein Verdienst.
Und denn, man muss das Wahre immer wiederholen, weil auch der Irrtum um uns her immer wieder gepredigt wird, und zwar nicht von Einzelnen, sondern von der Masse. In Zeitungen und Enzyklopädien, auf Schulen und Universitäten, überall ist der Irrtum oben auf, und es ist ihm wohl und behaglich, im Gefühl der Majorität, die auf seiner Seite ist.
Oft lehret man auch Wahrheit und Irrtum zugleich und hält sich an letzteren. So las ich vor einigen Tagen in einer englischen Enzyklopädie die Lehre von der Entstehung des Blauen. Obenan stand die wahre Ansicht von Leonardo da Vinci; mit der größten Ruhe aber folgte zugleich der Newtonsche Irrtum, und zwar mit dem Bemerken, dass man sich an diesen zu halten habe, weil er das allgemein Angenommene sei.“

* Philisterei: Spießbürgertum

* Distichon (Plural „Distichen“): griechisch „Zweizeiler“. Ein Verspaar bestehend aus einem Hexameter (griechisch „Sechsmaß“) und einem Pentameter (griechisch „Fünfmaß“).

Die Verbreitung und Dramatisierung von Unwichtigem oder Unwahrem wird angewendet, um entweder vom wahren Geschehen abzulenken oder um einfach nur egozentrische Macht oder Kontrolle auf den somit unwirksamen Einzelnen auszuüben.

Dieser Zaubertrick funktioniert zum Beispiel auf folgende Weise:

  1. Man erfindet zunächst Problem,
  2. man dramatisiert es; notfalls unter Zuhilfenahme der Wissenschaft,
  3. dann wartet man eine bestimmte Zeit, bis alles gewirkt hat und darüber gesprochen wird,
  4. dann löst man es,
  5. und gilt somit als unglaublich wichtig – nicht selten sogar als heldenhaft.

Da das für den einen zu theoretisch und für den anderen vielleicht verrückt klingt, gebe ich Ihnen ein paar Beispiele. Viele weitere können Sie aus guter Geschichtsliteratur und – mit ein wenig Übung – auch aus der Tagespresse entnehmen.

Beispiel 1:

Am 27.02.1933 wurde der deutsche Reichstag in Brand gesetzt. Man erzählte den Menschen, es sei ein Anschlag von Terroristen gewesen. Man konnte somit leicht die Demokratie vollends in eine Diktatur umwandeln, um somit das selbst erfundene Problem zu lösen. Die Menschen in Deutschland hatten eine scheinbar „prima“ Regierung, die für Schutz und Ordnung sorgte. Heute ist bekannt, dass der Reichstagsbrand selbst gelegt worden war, als eine strategische Maßnahme, um den teuflischen Plan der Weltherrschaft durchzusetzen.  

Beispiel 2:

Zahlreiche Medikamente haben große Nebenwirkungen. Diese sind dann mit anderen Medikamenten wieder zu heilen (usw.). Also ist die Medizin immer wieder neu gut – und wir freuen uns, dass es sie gibt. Das ist zwar nur zum Teil korrekt, aber wer weiß heute noch welcher Teil der Medizin wirklich ethisch arbeitet und keine „selbst erfundenen Löcher“ stopft?

Beispiel 3:

Sie haben Streit mit einem Geschäftspartner. Dieser geht zu einem Rechtsanwalt und erzählt ihm, dass er nicht mehr mit ihnen arbeiten kann, da sich verschiedene Interessen gebildet haben. Der gegnerische Anwalt erzählt Ihrem Geschäftsfreund nun, dass er da bei verschiedenen Dingen aufpassen muss, ansonsten würde er irgendwann möglicherweise ein Haftungsproblem bekommen. Somit schürt er Angst und zwangsläufig negative Emotionen in Ihre Richtung. Er führt ihn systematisch in einen „offiziellen“ Rechtsstreit. Somit löst er dann die Probleme, die er zuvor durch Propaganda selbst erschaffen hat. Alle derartigen Probleme ließen sich durch gute Kommunikation leicht lösen.

Uns wird jeden Tag eine große Menge Mist erzählt. Das ist für sich betrachtet noch nicht einmal schlimm. Nur wenn wir nicht genau hinterfragen und die tollen Storys glauben, dann sind wir Marionetten, da wir uns mit diesen scheinbaren Erkenntnissen zufrieden geben, welche uns regelrecht eingepflanzt werden. Mit diesen falschen Erkenntnissen ausgestattet, waren und sind eine Menge Leute bereit, für eine angeblich gute Sache, voller Überzeugung dummes Zeug zu tun oder gar in den Krieg zu ziehen. Vom Erreichen eigener und möglicherweise sogar für die Allgemeinheit wertvoller Ziele sind wir dann sehr weit entfernt.

Die richtige Erkenntnis

Im Prinzip ist das jetzt einfach zu beschreiben, denn wir hatten das Thema Wissen im vorherigen Kapitel ausführlich behandelt und können somit eine neue Formel festhalten:

Erkenntnis ist die Essenz* von Wissen, welche augenblicklich da ist. Wenn Erkenntnis erlangt ist, wird das Wissen nicht mehr benötigt, da es jederzeit daraus abgeleitet werden könnte (wenn man es dann überhaupt noch braucht).

Wie bringt uns das jetzt weiter? Nun, vielleicht indem wir uns mal überlegen, wann wir das letzte Mal eine Erkenntnis hatten und uns dabei spätestens heute bewusst werden, wie wertvoll das eigentlich war. Denn in diesen Momenten hatten wir eine Art „Erleuchtung“ gehabt. Quasi das „totale Wissen“. Dieses Phänomen tritt auch dann ein, wenn wir uns auf den Weg zu unserem Ziel begeben.

* Essenz [lateinisch]: 1. wesentlichster Teil, Kernstück. 2. konzentrierter Duft- od. Geschmacksstoff aus pflanzlichen od. tierischen Substanzen. 3. stark eingekochte Brühe von Fleisch, Fisch od. Gemüse zur Verbesserung von Speisen. 4. Wesen, Wesenheit einer Sache.

Es macht einfach „Klick“

Eine richtige Erkenntnis ist der Moment wo es Klick macht, der Groschen* fällt, oder manche Leute sich sogar mit der Hand an die Stirn schlagen und dabei so was ähnliches rufen, wie: „oh Mann, na klar – ist doch logisch, – wie einfach, …“. Kennen Sie das?

* Groschen: a) Zehnpfennigstück b) der Groschen fällt bei jemandem = umgangssprachlich: jemand versteht, begreift endlich etwas.

Erkenntnisse machen uns stark

Wenn Sie eine richtige Erkenntnis haben, dann gibt es keinen Zweifel mehr über die betreffende Sachlage und somit werden sie stabiler als andere, die nur Wissen besitzen. Wissen kann man anzweifeln und abwägen, eine richtige Erkenntnis erkennt man auch daran, dass wir keinerlei Zweifel haben und somit sehr zielstrebig werden.

Wissen, das durch praktischen Einsatz in Erfahrung umgewandelt wird, nennt man auch Fähigkeit im Umgang mit der Sache.

Wir müssen also Wissen anwenden, um es in Erkenntnis (Fähigkeit, totales Wissen) zu verwandeln und um jeglichen Zweifel abzuschaffen. Training, also wiederholtes Anwenden von Theorie, ist der Schlüssel für intuitives und vollautomatisches „Können“. Somit ist der Kopf frei für die nächste Hürde bzw. das nächste Etappenziel, in Bezug auf das Erreichen von gesteigerter Kompetenz und Stabilität.

Zweifel heißt Zurückhaltung und Unsicherheit, eine Erkenntnis zu haben heißt siegesgewiss und stabil zu sein. Diese innere Sicherheit darf und sollte intuitiv sein. Wenn sie dann noch mit den wesentlichen rationellen Überlegungen konform ist, können Sie sich gut gewappnet auf die Reise machen.

Oft fehlt dann nur noch eine kleine Sache oder Eigenschaft, um wirklich vorzüglich in der Ausführung zu sein: Mut.


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