Interview: Wie bist du zum Coaching gekommen?

Interview mit der Journalistin Lydia Heckl im Mai 2011

Du bist einer der ersten Coachs in Deutschland. Wie bist du zum Coaching gekommen?

Schon während ich noch als IT-Berater gearbeitet habe, sind die Menschen zu mir gekommen und haben mir überraschend freizügig von ihren Problemen erzählt. Dabei habe ich festgestellt, dass ich mich nie überfordert fühlte, sondern mir diese Unterhaltungen sogar Spaß gemacht haben.

Ich habe quasi ‚versehentlich‘ gecoacht und war überrascht zu beobachten, wie die Leute das, was in diesen Gesprächen diskutiert wurde, tatsächlich auch umsetzten.

Daraufhin habe ich angefangen als Berater Seminare zu geben und aus der Sache einen Job definiert – den Job des ‚Coachs‘. Dazu muss ich sagen, dass die Berufsbezeichnung ‚Coaching‚ zu dieser Zeit in Deutschland noch gar nicht existierte, stattdessen sprach man von ‚Management Training‘.

Maßgeblich beeinflusst haben mich die Bücher von Timothy Gallway und insbesondere das Beste, was je zum Thema Coaching geschrieben wurde: „Coaching für die Praxis“ von Sir John Whitmore.

Frank H. Sauer im Interview in Köln
Lydia Heckl im Gespräch mit Frank Sauer

Fast alles, was danach über Coaching publiziert wurde, sind Wiederholungen oder „Verschlimmbesserungen“, die zum größten Teil ziemlich intellektuell und theoretisch daherkommen.

Was verstehst du unter einem guten Coaching?

Coaching wird oft völlig falsch verstanden und ausgeübt. Ein Coach ist kein Psychologe oder Pädagoge, der seine Klienten in irgendein x-beliebiges Raster packt.

Im Mittelpunkt eines guten Coachings steht der facettenreiche, freie, seine persönlichen und/oder beruflichen Ziele aus den Augen verlorene, orientierungslose Mensch. Und genau hier setzt ein Coaching ein, das auf eben jedes einzelne Individuum abgestimmt werden muss und deren Verlauf somit immer ein anderer ist.

Ein Coach ist wie ein Trainer im Sport, der im richtigen Moment die richtigen Ratschläge erteilt, also Hilfestellung leistet. Auf das Timing kommt es an. Coaching = Training!

So bezieht sich Coaching auf das Erreichen persönlicher und/oder unternehmerischer Ziele sowie auf das Lösen von vorhandenen Problemen.

Nicht selten werden Dinge ans Licht gebracht, die bisher im Verborgenen lagen. Meist muss dabei mit Strategien gearbeitet werden, die in dieser Art nicht immer bekannt sind. Der Coach übernimmt hier stets eine Mit-Verantwortung.

Wie wichtig ist es, Ziele zu haben?

Ein Ziel ist ein Teil unserer Identität.

Erkennen und definieren wir diese, so motivieren wir uns und ggf. das Team, das uns unterstützt. Und genau darum geht es beim Coaching: Der Coachee lernt, wie er seine Ziele, Visionen und Ideen richtig definieren und tatsächlich erreichen kann.

Darüber hinaus ist es gut, seine eigenen Ziele zu kennen, da man schnell Gefahr laufen kann, Ziele anderer quasi zu adoptieren und dabei seine Integrität zu verletzen.

Dies geschieht öfter, als wir es bewusst wahrnehmen.

Die Summe Deiner gesteckten Ziele bist Du!

Wie ist der Ablauf eines typischen Coachings?

Ein typisches Coaching gibt es bei mir nicht.

Coaching kann in Form eines langen Spaziergangs erfolgen, bei einer Tasse Tee in Wohnzimmeratmosphäre oder aber während der ganz normalen Arbeitszeit im Büro, das heißt im Rahmen des ganz normalen Arbeitsprozesses.

Dabei gilt, um bei dem Bild des Trainers beim Sport zu bleiben: Der Trainer darf das Spielfeld nicht betreten. Hierin liegt übrigens der Unterschied zu einer Beratung: Der Berater gibt Tipps, der Coach stellt Fragen, erläutert Naturgesetze und inspiriert zum Ändern von bisherigen Verhaltensmustern.

Der Ablauf richtet sich nach den Zwischenergebnissen, die vorher definiert werden. Der ganze Prozess muss meßbar sein, natürlich vor allem für den Klienten.

Eins deiner Lieblingsbilder im Rahmen von Unternehmenscoaching ist „Die Treppe wird immer von oben nach unten gekehrt“. Was genau ist damit gemeint?

Damit meine ich, es ist ratsam im Rahmen des Coachings bei der Firmen- oder Teamspitze zu beginnen und erst danach bei den Mitarbeitern, mindestens jedoch eine Ebene höher, in der Problemzonen sichtbar sind.

Prinzipiell geht es darum, nicht das große Feuer zu löschen, sondern den oder die Brandhüter zur Verantwortung zu ziehen und künftige Brände zu verhindern.

Der Spruch „der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ ist auch in Unternehmen gültig und darf nicht unter den Teppich gekehrt werden.

Unternehmer und Unternehmen haben Verantwortung für die Familien ihrer Mitarbeiter und die ganze Gesellschaft.

Wie können Defizite in solchen „Problemzonen“ langfristig beseitigt werden?

Zum Beispiel ist es nützlich, einen von mir ausgebildeten Coach im Unternehmen zu etablieren. Mit externer Hilfe werden dauerhaft Qualitätskontrollen und Korrekturen durchgeführt. Das spart langfristig hohe Kosten für Berater.

Beim Coaching von Führungskräften entsteht ein positiver Nebeneffekt: Der durch mich Gecoachte lernt durch das Beobachten meiner Methoden in der Praxis, wie Coaching grundlegend funktioniert, so kann er fortan auch seine Mitarbeiter coachen. Das wird unterstützt, in dem immer wieder reflektiert wird, welche Wirkung gutes Coaching haben kann.

Was genau lehrst du im Rahmen eines Workshops mit dem Schwerpunkt „Personalführung“?

Ich vermittele den Teilnehmern ein klares Bild über das Gesamtspektrum der Aufgabe und Verantwortung, Personal zu führen.

Von Fachbegriffen über Kernfähigkeiten bis hin zu Führungswerkzeugen beleuchtet das Seminar das Thema Personalführung ganzheitlich und praxisnah.

Eine wichtige Grundlage für das professionelle Wahrnehmen dieser Führungsverantwortung und ein umfassender Leitfaden für Manager.

Verantwortung für Kinder
Postkarte: Verantwortung für Kinder

Was macht deiner Meinung nach eine gute Führungskraft aus?

Eine gute Führungskraft ist sehr gut beraten, sich selbst als Coach zu verstehen und kann alleine durch das eigene gecoacht werden erlernen, wie dies funktioniert.

An dieser Stelle zitiere ich gerne Sir John Whitmore: „Das Motto lautet: Coachen statt Befehlen! Coaching ist zugleich Mittel und Kern des Wandels der Unternehmenskultur.“

Natürlich gibt es die klassischen und gern erwähnten Fähigkeiten, die man da braucht. Aber jeder muss seinen eigenen Führungsstil entdecken. Die wichtigsten Faktoren sind Zielstrebigkeit, Disziplin, gute Wahrnehmung und Empathie.

Bitte erläutere den Begriff „Unternehmenskultur“ näher.

Ein gesundes und nachhaltig erfolgreiches Unternehmen zeichnet sich immer auch durch eine klare und durchgängig gelebte Unternehmenskultur aus. Jedes Unternehmen gelangt irgendwann an den Punkt, Werte, grundsätzliche Maßstäbe und Regeln beschreiben und etablieren zu müssen, da diese sonst nicht bekannt werden oder verloren gehen.

Jede Firma kann und muss ihre Unternehmenskultur bauen. Wenn sie das nicht macht, entsteht sie von selbst. Nicht immer jedoch ist die ‚zufällige‘ Kultur förderlich für die Ziele der Eigentümer, Mandatsträger, der Führung und der Mitarbeiter.

Frank H. Sauer im Interview in Köln
Foto: Peter Zembol

Ein begleitendes Programm, das die Entwicklung und durchgängige Etablierung einer beständigen Unternehmenskultur klar widerspiegelt, ist einfacher und preiswerter als man vermuten mag.

Welchen Stellenwert nimmt das Coaching von Unternehmen in unserer heutigen Zeit ein?

Zahlreiche Studien und eigene Erfahrungen belegen den Zusammenhang zwischen Betriebsklima und Betriebserfolg. Die Erkenntnisse: Die hauptsächliche Entstehung einer Unternehmenskultur beruht auf besser motivierten Mitarbeitern und der damit einhergehenden Arbeitsproduktivität. Ein Hauptfaktor dabei ist die Vorbildwirkung von Vorgesetzten.

Die meisten Unternehmen möchten an ihrer Unternehmenskultur etwas ändern, wenn sie nur wissen würden, wie man das anstellt, ohne funktionierende Systeme zu verändern.

Mit unserem Workshop Unternehmenskultur möchten wir dieses abstrakte und schwer greifbare Thema konkret und damit auch gestaltbar angehen.

Wir liefern als Coach den Unternehmen quasi einen Baukasten mit Bedienungsanleitung und tragen somit zur Gestaltung von Unternehmenskultur bei.

Und bei Personen, die aus eigener Motivation zu Dir kommen? Welchen Stellenwert nimmt Coaching hier ein?

Was vor kurzem noch der Burn-out war, ist heute der Bore-out. Bore-out kommt von „boring“ was übersetzt gelangweilt bedeutet.

Der Mensch in unserer heutigen (Leistungsdruck-) Gesellschaft ist zunächst überfordert und dann gelangweilt vom (etablierten) System.

Was damals der Psychologe lösen sollte, erledigt heute der Coach, welcher sich ja im Idealfall mit Unternehmesstrukturen und dessen Mechanismen gut auskennt.

Raus aus dem Stress, bevor Burnout und Depressionen zuschlagen!

Glaubst du, es ist möglich sich selbst zu coachen?

Dieses Talent ist nur wenigen vorbehalten. Generell ist es immer gut einen externen Ratgeber oder Sparringspartner zu haben, so wie alle echten Profis, die oft sogar mehrere Coches haben.

Es ist tatsächlich so, dass man sich selbst niemals richtig und komplett sehen oder wahrnehmen kann. Auch das eigene Spiegelbild ist und bleibt eben nur ein Spiegelbild.

Das zentrale Element beim Coaching ist die „reale“ Wahrnehmung im Außen und ein gut dosiertes Feedback.

Mit dem Projekt „Talente-Werkstatt“ hast du dir 2010 einen lang gehegten Traum erfüllt, Kinder und Jugendliche zu unterrichten. Warum ist dir das wichtig?

Ich bin der Meinung, dass fast alle Kinder falsch erzogen und unterrichtet, ja oft sogar verzogen und manchmal hingerichtet werden.

Nie gab es eine derart große Orientierungslosigkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen wie in der heutigen Zeit. Ich glaube sogar, dass es noch schlimmer wird, wenn jetzt nicht ein grundlegender Sinneswandel stattfindet.

Bei dieser Arbeit konnte ich jungen Menschen Orientierung geben und auf ein paar Naturgesetze hinweisen. Einige Lehrer haben beobachtet, wie ich mit meinen Methoden einen nicht vermuteten positiven Einfluss auf die Kinder ausüben konnte. Manche Kinder haben gar mit Freude den Sinn von Lernen, Wissen und Disziplin erkannt.

Welches ist dein ganz persönliches Anliegen zu coachen?

Meine Ziele sind in erster Linie, Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen und zu fördern, da ich dankbar aus eigenen Erfahrungen weiß, wie wertvoll und zeitsparend ein Sparringspartner sein.

Des weiteren ist es mir wichtig, eine lebenswerte und zugleich wertschöpfende Kultur in Unternehmen zu etablieren sowie Impulse zu geben, damit wesentliche Teile der Bildungssysteme neu gestaltet werden.

Ebenso ist es mir wichtig, effiziente persönliche Netzwerke zu unterstützen oder fördern.

Warum glaubst du, bist du ein guter Coach?

In erster Linie weil ich auf einen sehr großen Erfahrungsschatz als Coach von Menschen in sehr unterschiedlichen Positionen und Branchen zurückgreifen kann.

Ausgebildet wurde ich durch eigene und beteiligte Unternehmen sowie von erfahrenen und sehr erfolgreichen Unternehmern.

Und zudem lernte und lerne ich ja bei jedem Coaching immer etwas Neues dazu.

Durch eigene Niederschläge, von denen ich mich stets wieder erholte, habe ich viele Erfahrungen im Umgang mit schwierigen Situationen sammeln können.

Das alles steht mir während des gesamten Coaching-Prozesses zur Verfügung, wie eine Klaviatur mit enormer Bandbreite.

Coach Frank H. Sauer am Kölner Rheinhafen
Foto: Julia Hüttner
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