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Fragestellungen: Richtig und schnell im Job entscheiden – lässt sich das lernen? Gibt es Tipps & Tricks hierfür? Was gehört zu einer guten Entscheidung? Ist keine Entscheidung besser als die womöglich falsche? Neigen Ingenieure zu unnötig langen Entscheidungsfindungen? Schadet zu viel Information, Rat, Nachdenken nur? Welche Faktoren hemmen die Entscheidungsfreude? Gibt es Werkzeuge, die bei Entscheidungen helfen können?
Schwere Entscheidungen leicht gemacht
Von Chris Löwer | 13. März 2015 | Ausgabe 11
Innovationen anschieben, neue Produkte absegnen, Mitarbeiter einstellen oder entlassen – Führungskräfte müssen dauernd abwägen und entscheiden. Vielen fällt das schwer, schließlich soll ja die bestmögliche Lösung gefunden werden. Jedoch: Wie sich zügig gute Entscheidungen treffen lassen, das ist erlernbar.
Hm. Was nun, äh, ich könnte …, aber wenn dann … Ach, was soll ich bloß machen? Entscheidungen zu fällen, lässt sich lernen.
Die Freude über den Aufstieg ins Management währt bei manchem Ingenieur nicht lange: Schnell merkt er, dass von ihm vor allem eines verlangt wird: Er muss schnell, sicher und möglichst richtig entscheiden. Täglich. Über Fragen – von der Investitionsentscheidung über die unterschiedlichsten Produktideen bis hin zu Entlassungen von Mitarbeitern.
„Wer in eine Führungsposition gerutscht ist, ist leicht überfordert, weil die Entscheidungenhier oft weniger rationale sind als vielmehr emotionale“, sagt der Kölner Coach Frank H. Sauer. Er schätzt, dass nur 5 % der Menschen wirkliche Entscheider seien, was sie erfolgreich und ausgeglichen mache. Die gute Nachricht: Zügig und gut entscheiden lässt sich laut Sauer lernen. „Das verhält sich wie mit einem Muskel, der brachliegt und trainiert werden muss“, sagt er. Aus seinen Trainings mit Ingenieuren weiß er, dass viele, die in der Hierarchie aufgestiegen sind, einen, um im Bild zu bleiben, „Muskelfaserriss“ erlitten haben, weil sie nun viele Entscheidungen zu treffen hatten, das aber gar nicht gewohnt waren, und daher ihren „Entscheidungsmuskel“ überanstrengten.
Die Folge: „Entscheidungen werden aus Angst, etwas falsch zu machen, aufgeschoben oder es wird gleich gar nicht entschieden, was dann andere für einen erledigen“, weiß Jürgen Hesse vom Berliner Büro für Berufsstrategie Hesse/Schrader. Analytisch-logisch denkende Ingenieure, die womöglich nicht nur eine gute, sondern eine perfekte Entscheidung treffen möchten, blockieren sich so selbst. Hesse: „Aber man kann nicht alles bis ins Detail durchdenken, man muss auch in der Lage sein, gefühlsmäßig aus dem Bauch heraus zu entscheiden.“ Sauer sieht das genauso: „Der Hauptgrund für langsame Entscheidungen bei Ingenieuren ist, dass sie zu langen Risikoabwägungen neigen und nicht ihrem Bauchgefühl trauen.“
EXPERTEN MEINEN, DASS DAS BAUCHGEFÜHL DURCHAUS EINE ROLLE SPIELEN SOLLTE
Daran lässt sich arbeiten. Stärker der Intuition zu trauen, sich in die Lage anderer hineinzuversetzen, auch und gerade dann, wenn sie anders entscheiden würden, ist hilfreich. „Die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln, macht den Unterschied zwischen Entscheidern und Nicht-Entscheidern“, ist Sauer überzeugt.
Hilfreich ist überdies, daran zu arbeiten, an spontanen eigenen Gefühlen festzuhalten („Den würde ich nicht einstellen!“) statt ewig abzuwägen, rät Hesse. „Übertriebener Perfektionismus hemmt und sollte daher zurückgefahren werden“, betont der Experte. Etwa, indem sich das Worst-Case-Szenario einer Entscheidung ausgemalt wird, was in die richtige Richtung lenken kann und mitunter die Angst vor einer Festlegung nimmt, die möglicherweise gar nicht so gravierend ist wie gedacht. Ein praktikables Werkzeug für Sauer ist eine Pro- und Kontra-Liste, mit der Szenarien durchdacht werden, was rationalen Menschen entgegenkommt. Auch Checklisten für die Entscheidung wichtigen Fakten sind zumindest bei technischen Fragen hilfreich. Mithin können Kollegen, Fachleute oder – in ganz schwierigen Fällen wie etwa sicherheitstechnischen Belangen – Gutachter hinzugezogen werden. Nur: Das alles darf nicht Wochen oder gar Monate dauern. Das Ziel der Entscheidung muss ebenso festgelegt werden, wie die Zeit, die ihre Findung dauern darf. Aber diese Möglichkeit bietet sich nicht immer, wenn binnen Minuten eine Ad-hoc-Entscheidung gefällt werden muss. Dann hilft nur eines: „Sich die Chancen vor Augen halten, denn die bieten sich bei jedem Risiko“, betont Sauer. Kurz Chancen und Risiken abwägen, entscheiden, für was man bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen und danach handeln. „Das und der Mut, die Konsequenzen zu tragen, nimmt die lähmende Angst vor Fehlern“, sagt Sauer.
Doch je komplexer eine Frage ist, desto mehr hemmt sie die Entscheidungsfreude. Für Psychologen ist das ein ganz normaler Zusammenhang – den man sich gern vor Augen halten darf! Was hilft, ist, sich zu fokussieren und Schritt für Schritt abzuwägen, was zu tun ist, bis sich das Puzzle des Lösungsweges zusammengesetzt hat. Sauer: „Es ist besser, eine große Entscheidung zu treffen statt tausend kleine, die vom eigentlichen Problem ablenken.“ Der Bonner Entscheidungscoach Reinhard Dobat rät bei schwierigen Fragen dazu, einen kompetenten, neutralen Gesprächspartner hinzuzuziehen. Vielleicht lassen sich auch Beispiele anderer in ähnlichen Situationen finden, die die eigene Entscheidungsfindung in Schwung bringen.
Und selbst wenn die Situation verfahren erscheint, ist Nichtstun die schlechtere Alternative, sagt Sauer. Seine Devise: „Jede Entscheidung ist besser als keine!“ Wenn aber weder Kopf noch Bauch zu einem Ergebnis führen, dann soll das Schicksal entscheiden: „Kein Scherz, in solchen Situationen sollte man eine Münze werfen“, rät Sauer.