Interview für das Magazin „UNICUM Beruf“ (Februar 2017)

„Gehen Sie nicht in den Gegenangriff!“

Mobbing-Opfern im Job wird geraten, Attacken über einen längeren Zeitraum zu dokumentieren, bevor man sich etwa beim Betriebsrat Hilfe holt. Toller Tipp, aber: Wie gestalten Opfer diesen längeren Zeitraum, um ihn für sich aushaltbar zu machen? Karriere-Coach Frank H. Sauer im Interview.

Herr Sauer, wie verhält man sich am klügsten, wenn die Stimmung in einer Bürogemeinschaft einmal gegen einen gekippt ist?

Sachlich. Höflich. Das ist zwar nicht einfach in so einer Situation, aber es ist die einzige Möglichkeit, die Szenerie zu gestalten. Und, eine ganz wichtige Botschaft an die Opfer: Gehen Sie nicht in den Gegenangriff! Lassen Sie sich zu keiner Provokation hinreißen, auch nicht auf subtiler Ebene. Mit dieser Form von Feindseligkeit agieren bereits die Mobber, deshalb sind sie für alles Subtile besonders empfänglich, unabhängig von ihrem IQ. Mit einem neutralen Auftreten begeben sich Mobbing-Opfer nicht in die Rolle des totalen Duckmäusers, der sein Schicksal einfach hinnimmt – sie verfolgen aktiv eine Strategie, um die eigene Angriffsfläche nicht noch größer werden zu lassen. Opfer können Sachlichkeit trainieren, indem sie sich von sich selbst emotional distanzieren, sich also vorstellen, sie würden „von oben“ auf die Situation schauen. Das erfordert Übung und ist nicht einfach. 

Sowohl der Mobber als auch der Gemobbte haben laut Experten eines gemeinsam: ein geringes Selbstbewusstsein.

Richtig. Beide sind sogar mit demselben Verhalten beschäftigt: mit Kaschieren. Ein Mobber kaschiert unbewusst sein geringes Selbstbewusstsein, indem er mobbt. Ein Mobbing-Opfer hat meist bereits in seiner Vergangenheit seine Gefühle kaschiert, weshalb es überhaupt erst zum Opfer werden konnte.

Können Sie das bitte genauer erklären?

Schon bei der allerersten Tuschelei, die merklich gegen einen Mitarbeiter gerichtet ist, sollte der Mitarbeiter zu seinen Kollegen gehen und sagen: „Es ist für mich nicht okay, was ihr da tut, das verletzt mich.“ Damit zeigt er zwar seine Verletzlichkeit. Aber er zeigt auch Haltung und Selbstbewusstsein. So etwas verschafft Respekt und könnte dazu beitragen, dass aus kurzfristigen Tuscheleien nicht Mobbing wird, das sich definitionsgemäß über einen längeren Zeitraum erstreckt. Wichtig ist, dass der Mitarbeiter das Wort „es“ benutzt. Also nicht „IHR seid für mich nicht okay“, sondern „ES ist für mich nicht okay, was ihr da gerade tut.“ So konfrontiert man die anderen, aber die Konfrontation verläuft immer noch sachlich.

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